Suizid des Bruders: Jutta Platen
Suizid des Bruders
Jutta Platen zu Gast im Trauermanager-Podcast "Das Schwere LEICHT gesagt"
Moderation: Stefan Hund
Marcus Platen war erfolgreicher Unternehmer. Hatte vieles von dem, was sich andere wünschten. Und er hatte, was sich immer mehr zeigte, gesundheitliches Probleme. Er hatte eine bipolare Störung. Die Folgen der Krankheit nahmen ihm fast Alles. So dass er für sich den Ausweg aus dieser Situation suchte - und im Suizid fand.
Jutta Platen, seine Schwester begleitete ihn intensiv. Wie auch viele andere ihn unterstützten. Jutta hat von vorne herein für sich die Entscheidung getroffen, mit der Situation offen um zu gehen. Auch, weil ihr Bruder einer von 8 in den letzten etwas mehr als 2 Jahren in einem kleinen mittelhessischen Städtchen waren, die diesen Weg gegangen sind.
Danke Jutta für Deine Offenheit
Kontakt: https://www.linkedin.com/in/juttaplaten/
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Wir sprechen über Themen rund um Trauer. Für Unternehmer, Führungskräfte und Betriebsräte.
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Transcript
Was passiert mit uns, mit unserem Körper, mit unseren
Speaker:Köpfen, mit unseren Karrieren, wenn der
Speaker:Tod plötzlich im Büro steht und niemand
Speaker:hinschaut? Besonders wenn es
Speaker:Suizid geht. Liebe Hörerinnen und
Speaker:Hörer, herzlich willkommen zu 1 neuen Folge von Das schwere leicht gesagt,
Speaker:dem Podcast des Trauermanagers. Mein Name ist Stephan
Speaker:Hund und wie immer habe ich mir
Speaker:einen Gast eingeladen, die
Speaker:Erfahrung mit dem Thema hat. Eine Erfahrung, die man sich nicht gesucht
Speaker:hat, aber da kommen wir nachher dazu. Liebe
Speaker:Jutta Platen, ganz herzlich willkommen hier in diesem
Speaker:Podcast. Vielen Dank, Stefan.
Speaker:Auf deine Geschichte kommen wir nachher noch, aber ich will
Speaker:mich erst mal ein bisschen langsam rantasten. Was ist
Speaker:gefährlicher für ein Unternehmen? Eine schlechte Bilanz
Speaker:oder ein Team, das innerlich vielleicht auch nach einem
Speaker:Suizid zusammenbricht, aber noch irgendwie weiter
Speaker:funktioniert? Ich denke,
Speaker:ein Team, was zusammenbricht, was nicht mehr performt,
Speaker:was nicht leistungsfähig ist, ist ein
Speaker:hohes Risiko für ein Unternehmen. Und da brauchst
Speaker:du wirklich gute Führungskräfte,
Speaker:die solche Situationen idealerweise auch managen
Speaker:können. Du bist
Speaker:ja Führungskraft, du warst auch lange Führungskraft. Können die
Speaker:das, haben die das im Studium gelernt? Ich
Speaker:denke, so was Lernt niemand
Speaker:so im Studium, in der Weiterbildung, und ich denke jetzt selbst an
Speaker:meine systemische Ausbildung, die ich habe, so ans
Speaker:Eingemachte und so in Extremsituationen das
Speaker:zu lernen, Ich glaube, das haben die wenigsten
Speaker:erlernt und mitgenommen. Oder haben da einen guten Coach und
Speaker:Mentor, der sie dann auch durch solche schwierigen Zeiten
Speaker:begleitet und unterstützt und vielleicht ein Sparing-Partner
Speaker:an der Seite ist. Ja, zumal es beginnt ja im Endeffekt in dem
Speaker:Moment, wo der Tod in der Türe steht. Und
Speaker:wenn du dann auf eine Checkliste zurückgreifen kannst,
Speaker:die solche Sachen einfach im Blick hat, dann ist es noch mal eine ganz andere
Speaker:Kragenweite, als wenn du dann erst mal dir möglicherweise auch erst mal einen
Speaker:Coach suchen musst, der überhaupt mit dem Thema umgehen kann.
Speaker:Mhm. Und du musst dann ja, wenn das Thema da ist, und
Speaker:es trifft mit voller Wucht vielleicht total unerwartet
Speaker:jemanden ein, dann musst du ja dann agieren
Speaker:und wissen, wie gehe ich denn jetzt mit dem Betroffenen,
Speaker:mit dem Team, mit dieser Situation
Speaker:Und du stehst sofort im Scheinwerferlicht. Sofort im Scheinwerferlicht. Ja,
Speaker:ja. Und ich glaube, da darf
Speaker:noch viel getan werden, damit
Speaker:Führungskräfte da noch mehr an die Hand
Speaker:bekommen, auch für solche Extremsituationen
Speaker:gerüstet gut vorbereitet zu sein? Auf jeden Fall, denn
Speaker:wie gesagt, auch für die Führungskraft ist es selbst eine Herausforderung,
Speaker:an der sie auch zerbrechen kann. Beziehungsweise einige haben dann
Speaker:gesagt, wir haben hier keine Unterstützung von Unternehmen,
Speaker:wir gehen.
Speaker:Ja, ich denke gerade in so
Speaker:1 Zeit, sich alleingelassen, wenn da dann nicht das oberste Management
Speaker:oder das Unternehmen auch irgendwie Unterstützung
Speaker:bietet, dann denke ich, kann das einfach so eine Enttäuschung, in so
Speaker:einem Moment alleingelassen zu werden. Ich denke, das macht
Speaker:dann wirklich langfristig was auch mit den Menschen
Speaker:und mit der Beziehung zum Arbeitgeber.
Speaker:Es gibt eine französische Untersuchung aus
Speaker:2021 und ich glaube nicht, dass die anders ausfallen würde, wenn ich mir einfach
Speaker:die ganzen Untersuchungen rund Gallup mir angucke, dass
Speaker:jede neunte Fachkraft kündigt, nachdem sie
Speaker:ihre Firma oder ihren Vorgesetzten als,
Speaker:wörtlich würde ich es übersetzen, mit Bastelbude erlebt haben in so 1
Speaker:Situation. Und nach dem Motto, das muss ich mir nicht geben.
Speaker:Liebe Jutta, wir haben so ein schweres Thema jetzt angefangen.
Speaker:Wie bist du eigentlich zu diesem Thema oder wie hat dich dieses Thema eigentlich gefunden?
Speaker:Genau. Und zwar hat sich mein großer Bruder im
Speaker:November letzten Jahres das Leben genommen.
Speaker:Er hat lange Zeit gekämpft. Er hatte eine
Speaker:bipolare Erkrankung gehabt.
Speaker:Und wie das dann so ist, wenn so eine Krankheit kommt,
Speaker:dann ist das wie ein Teufelskreis. Dann gibt
Speaker:es Probleme in den Familien, in den Beziehungen.
Speaker:Arbeitsplatzverluste, immer wieder das Thema Scheitern ist
Speaker:ihm dann auch begegnet. Und Er hat wirklich versucht,
Speaker:sich an verschiedensten Stellen Hilfe zu suchen.
Speaker:Und hat das aber leider nicht geschafft.
Speaker:Und am Tag vorher hatte er ein Gespräch
Speaker:bei seinem Arbeitgeber gehabt. Da ging es eine Wiedereingliederung,
Speaker:eine Perspektive beruflich zu bekommen. Und
Speaker:das ist auch nicht so ideal verlaufen.
Speaker:Und dann hat er für sich wahrscheinlich Bilanz gezogen, eine Zukunftsprognose
Speaker:gestellt und hat diese für sich echt, ja,
Speaker:finale Entscheidung getroffen, mit der ich dann konfrontiert
Speaker:und meine Familie und auch seine Familie, ich meine, er hinterlässt auch
Speaker:2 kleine Kinder, 2 Söhne, seine
Speaker:Ex-Frau. Das hat uns auch alle
Speaker:wirklich mit 1 Wucht von heute auf morgen
Speaker:getroffen. Ja gut,
Speaker:möglicherweise, so genau weiß ich es nicht, hattet ihr eine
Speaker:gewisse Vorbereitungszeit, aber dass es
Speaker:nachher wirklich dahin geht, dass er sagt, ich will aus dieser
Speaker:Situation raus mit dem
Speaker:Schleudersitz, damit habt ihr wahrscheinlich nicht gerechnet.
Speaker:Ne, damit hat niemand gerechnet. Da haben wir
Speaker:immer noch gedacht, dadurch, dass er so viele Menschen hatte, die ihn
Speaker:wirklich geliebt haben, gute Freunde, Familie.
Speaker:Er war gerade dabei, eine Wohnung zu renovieren im Haus meiner
Speaker:Eltern, so ein neues Leben auch anzufangen. Er hatte
Speaker:auch so Ideen für seine berufliche Zukunft und seine
Speaker:Kinder, die er wirklich so sehr geliebt hat und ein
Speaker:toller Papa war. Das hat uns irgendwo immer in Sicherheit
Speaker:gewogen, dass er diese Entscheidung
Speaker:nicht treffen wird.
Speaker:Wir haben uns ja kennengelernt über die Wirtschaftsunion. Dein
Speaker:Bruder war ja auch bei den Wirtschaftsunion, aber uns war ein
Speaker:Kennenlernen nicht vergönnt.
Speaker:Wie reagiert eigentlich jetzt in diesem Moment das Umfeld?
Speaker:Das private Umfeld, das berufliche Umfeld, möglicherweise
Speaker:auch das ehemalige berufliche Umfeld. Du warst ja
Speaker:früher bei einem bekannten Motorenhersteller
Speaker:mit den 2 R's. Ich sage jetzt nicht, welcher Name. Wie
Speaker:geht man außen damit
Speaker:Also es ist sehr, sehr unterschiedlich. Und ich würde
Speaker:sagen, es begegnen einem immer wieder Menschen, die so gar nicht
Speaker:wissen, damit umzugehen. Ich habe es wirklich auch erlebt
Speaker:bei 1 Einkaufssituation. Da war ich mit meinem Vater. Ich glaube, wir haben
Speaker:sogar Sachen für die Trauerfeier besorgt.
Speaker:Da sind uns wirklich Menschen bewusst aus dem Weg gegangen, haben sich
Speaker:vor uns in den Einkaufsgängen versteckt. Wahrscheinlich
Speaker:vor lauter Nichtwissen. Wie soll ich jetzt reagieren? Was
Speaker:soll ich sagen? Was soll ich tun? Und
Speaker:dann gab es aber auch Menschen, die haben ganz toll reagiert. Und
Speaker:manchmal war es einfach nur eine Umarmung. Da
Speaker:müssen gar nicht viel Worte gesprochen werden oder
Speaker:ein Ich bin für dich da oder nimm dir doch jetzt erst mal
Speaker:eine Auszeit und ich übernehme das ein oder
Speaker:andere Coaching für dich. Ich bin für dich da. Ich höre dir zu.
Speaker:Wir haben zum Beispiel lange Spaziergänge an der frischen
Speaker:Luft und einfach drüber reden. Sehr, sehr gut getan.
Speaker:Aber da geht ja auch jeder anders mit dem Thema
Speaker:Trauer Und es kommt ja auch so in Phasen, diese
Speaker:Trauer. Und am Anfang ist man ja erst mal
Speaker:wie in 1 Schockstarre. Steht total neben
Speaker:sich. Ja.
Speaker:Wie ist das bei dir oder auch deinem Umfeld gewesen? So
Speaker:Stichwort Schuld und Scham.
Speaker:Es ist ja immer noch so ein Stück weit ein Tabuthema.
Speaker:Ne? Gerade auch das Thema Suizid, sich selbst das Leben
Speaker:zu nehmen, das ist schon für viele ganz weit
Speaker:weg gar nicht greifbar. Und das blendet man auch am liebsten
Speaker:komplett aus. Und natürlich, ich
Speaker:meine, ich bin selbst systemisch ausgebildet
Speaker:und war natürlich ganz nah dran an meinem Bruder, habe ihn da wirklich
Speaker:auch begleitet, viel mit ihm gesprochen. Und
Speaker:trotzdem konnte ich ihm diesen Schmerz, diese
Speaker:Krankheit, diese Themen Nicht nehmen.
Speaker:Und ich bin damit von Anfang an sehr ehrlich,
Speaker:authentisch, offen umgegangen. So wie ich das meinen
Speaker:Coachees im beruflichen Einzelcoaching immer
Speaker:mit an die Hand gebe. Seid ehrlich zu eurem künftigen
Speaker:Arbeitgeber. Ihr wollt, dass der Arbeitgeber
Speaker:ehrlich mit euch ist. So geht ihr auch und nobody is
Speaker:perfect. Wir haben alle, sind wir schon mal gestolpert,
Speaker:sind wieder aufgestanden, haben Fehler gemacht. Aber die Frage ist,
Speaker:wie gehen wir damit was lernen wir daraus?
Speaker:Und deswegen habe ich zum Beispiel auch bei der Trauerfeier in der
Speaker:Kirche eine lange Rede, es waren super viele
Speaker:Menschen da. Mein Bruder war ein beliebter Sunnyboy.
Speaker:Den konnte man überall mit hinnehmen. Der konnte sich toll
Speaker:ausdrücken, artikulieren. Und viele Menschen haben schon
Speaker:gemerkt, dass er sich verändert hat, diese Persönlichkeitsveränderung
Speaker:wahrgenommen. Die konnten das aber gar nicht richtig greifen.
Speaker:Mensch, was ist denn los mit dem Markus? Und deswegen war mir
Speaker:es ein Anliegen, da auch so ein bisschen aufzuklären.
Speaker:Und ich habe einen Abschiedsbrief an meinen
Speaker:Bruder vorgelesen und habe einfach
Speaker:so manches ein bisschen klargestellt.
Speaker:Und dafür haben sich viele Menschen auch hinterher bei mir noch
Speaker:mal bedankt. Ich
Speaker:frage mich bis heute noch ein bisschen, woher ich die Kraft genommen habe,
Speaker:das in dem Moment so klar rüberzubringen. Aber ich glaube, es war
Speaker:mir einfach ein Anliegen,
Speaker:das auch noch mal rüber zu bringen. Ja, aber du hast auch für dich
Speaker:von vornherein entschieden, wir spielen hier kein Versteckspiel.
Speaker:Ja. Wir sind hier bei so ist es. Ja.
Speaker:Und genau. Ich hätte es mir anders gewünscht, ja. Wir sind nicht bei wünsch dir
Speaker:was, aber Wir sind bei so ist es und dementsprechend
Speaker:einfach auch positiv, soweit es in diesem Moment
Speaker:geht, damit umzugehen. Klar.
Speaker:Ja. Ja, und wir hatten es ja
Speaker:sowieso. Ich meine, wir haben ja gefahren. Wir haben ihn auch gesucht. Er
Speaker:war also vermisst. Und dann lief eine Fahndung, wir haben ihn
Speaker:gesucht. Und natürlich haben wir auch das in Social Media geteilt, den
Speaker:Suchaufruf und gebeten, dass alle Menschen aufmerksam sind,
Speaker:uns informieren, sollten sie ihn oder sein Auto gesehen haben.
Speaker:Und insofern hat man da ja schon eine Entscheidung getroffen, ein Stück
Speaker:weit in die Öffentlichkeit zu gehen.
Speaker:Ja, aber insgesamt das Thema psychische Gesundheit ist in den
Speaker:Firmen noch zu wenig angekommen, haben wir so
Speaker:den Eindruck. Ja. Und
Speaker:wir sind jetzt gerade von der IHK in Ludwigshafen eingeladen worden
Speaker:für einen halben Tag zum Thema Trauer im Unternehmen.
Speaker:Viele können einfach damit nicht umgehen, haben
Speaker:aber gleichzeitig möglicherweise den Gedanken,
Speaker:ich glaube jeder hat schon mal in 1 Situation gestanden, wo er gesagt
Speaker:hätte, gibt es jetzt irgendwo so einen roten
Speaker:Knopf, auf den ich drücken kann, damit ich aus dieser Situation rauskomme.
Speaker:Und ich glaube, das ist auch ein Teil dessen, weshalb man auch
Speaker:diese ganze Sache von sich wegschiebt. Denn sonst
Speaker:könnte der rote Knopf möglicherweise auf einmal wieder in die Nähe kommen.
Speaker:Wie können sich Bürgungskräfte auf so eine situation mit vorbereiten
Speaker:ich denke einfach achtsam sein mit offenen
Speaker:augen auch durch die abteilungen ihre
Speaker:teams gehen ansprechbar sein ich meine wir leben
Speaker:heute in 1 sehr schnelllebigen Welt. Höher,
Speaker:schneller, weiter. Jeder möchte gern jeden Preis
Speaker:erfolgreich sein. Und ich glaube, da
Speaker:vergessen wir öfters mal das, was wirklich
Speaker:wichtig ist. Gute, stabile Beziehungen, gute
Speaker:Kommunikation, Wertschätzung, füreinander
Speaker:da sein. In guten Zeiten Erfolge feiern, aber
Speaker:auch in schlechten Zeiten da sein.
Speaker:Und dann gegebenenfalls jemanden auch wirklich mal entlasten,
Speaker:Hilfsysteme anbieten. Und wenn das mal ein paar
Speaker:Tage einfach Raum und Zeit geben, mal
Speaker:durchzuatmen, wichtige Dinge jetzt zu organisieren, sich zu
Speaker:sortieren, da wirklich
Speaker:Menschen in wirklich Notsituationen den Rücken
Speaker:zu stärken und sie zu unterstützen.
Speaker:Manchmal ist ja auch Der erste Schritt überhaupt, und das ist ja nicht nur die
Speaker:Frage an die Führungskräfte, sondern ich sage immer
Speaker:an denjenigen, der gerade da ist.
Speaker:Denn die Betroffenen, so habe ich es in vielen Fällen
Speaker:erlebt, die machen ein kleines Fensterchen auf. Bei
Speaker:jemandem, wo sie meinen, er könnte möglicherweise noch
Speaker:mal einen Fuß in die Tür oder eine Hand in die
Speaker:Speichen halten und dann eben halt wirklich den Mut zu haben,
Speaker:es anzusprechen. Wie geht es dir im Augenblick?
Speaker:Oder vielleicht sogar nachher, wenn sich das Gespräch ein bisschen weiterentwickelt
Speaker:hat, brauchst du Hilfe, könnte es sonst sein,
Speaker:dass du dir was antust. Das ist auch wirklich auszusprechen. Dazu braucht es
Speaker:Mut, klar. Aber
Speaker:ohne das wird es nicht laufen. Ja. Und ich denke,
Speaker:das tragen zu können, diesen Mut zu haben, den
Speaker:Raum dann auch zur Verfügung zu stellen, da
Speaker:braucht es natürlich schon auch gute Schulungen,
Speaker:Übungen, Anleitungen, Sich da
Speaker:wirklich vielleicht auch mal so diesen Perspektivwechsel zu
Speaker:schaffen und sich wirklich auch mal in Menschen hereinzusetzen, die
Speaker:das gerade durchmachen, die so was erlebt haben.
Speaker:Das wäre natürlich ganz, ganz toll, wenn das einfach
Speaker:zur Sensibilisierung von Führen
Speaker:in schwierigen Lebenssituationen auch dazugehören
Speaker:würde. Ja,
Speaker:ich glaube, dadurch, dass es ja nun wirklich jeden treffen kann
Speaker:und manchmal mit 1 gewissen Ankündigung,
Speaker:aber selbst wenn die Ankündigung da ist, In dem Moment,
Speaker:wo die Nachricht kommt, ist die Welt ganz anders.
Speaker:Dann hau es rein.
Speaker:Wie kann ich auch als Kollege nochmal
Speaker:spürbar helfen, aber ohne übergriffig zu sein? Denn
Speaker:das ist ja auch manchmal so die Angst, jetzt
Speaker:spreche ich denen auf das Thema Suizid an. Was denkt der in dem Moment
Speaker:von mir?
Speaker:Also das kommt natürlich auch immer drauf an. Menschen sind da ja auch sehr
Speaker:unterschiedlich. Wie gehen sie mit ihrer Trauer, mit dem Thema
Speaker:Wie zugänglich sind sie in dieser Zeit für andere Menschen? Oder ziehen sie
Speaker:sich eher komplett zurück. Also mir hat es
Speaker:sehr gut getan, wenn Menschen ganz offen auf mich
Speaker:zugekommen sind. Mir hat es gut getan, wenn mich Menschen, natürlich die ich kenne,
Speaker:die mir nahestehen, mich auch einfach mal in den Arm genommen
Speaker:haben. Wenn ich weinen konnte, wenn ich drüber reden
Speaker:konnte. Und vielleicht einfach so ein bisschen die
Speaker:Unterstützung anzubieten. Oder eine
Speaker:kleine nette Geste, vielleicht mal ein Blümchen, und das
Speaker:muss nichts Großes sein, eine kleine Rose oder so auf den
Speaker:Arbeitsplatz stellen. Ich denke an dich, bin an dich da, eine
Speaker:Liebekarte, paar persönliche Worte. Ich
Speaker:denke, alles ist besser, als es einfach
Speaker:zu ignorieren, als wer da jetzt gar nichts
Speaker:passiert. Nur weil ich selber nicht weiß, wie gehe ich
Speaker:jetzt mit dem Menschen und der Situation
Speaker:Ich glaube, das ist noch das, was am meisten wehgetan hat.
Speaker:Ja, und ich vermute, dann hat es auch
Speaker:eine gewisse Aufspaltung gegeben, Menschen, die du
Speaker:vorher kanntest und als der Suizid
Speaker:von Markus kam, die Beziehung abgebrochen ist.
Speaker:Ja, und ich glaube, man guckt natürlich auch in so 1
Speaker:Situation oder auch in dem Prozess noch mal ganz anders so
Speaker:auf Freunde, Familie, Menschen, die einem nahestehen, das
Speaker:Leben, den Sinn des Lebens. Lebens. Und
Speaker:da habe ich schon noch mal gemerkt, wer wirklich
Speaker:die Freunde sind und die Menschen, die mit dir wirklich durch
Speaker:dick und dünn in guten und in schlechten Zeiten
Speaker:wirklich da sind. Ich meine Freunde in guten
Speaker:Zeiten, mit denen du feiern kannst, tanzen kannst, gute Zeit
Speaker:haben kannst. Ach, hier die hast du zu Massen.
Speaker:Aber Menschen, die wirklich ein Interesse an deinem
Speaker:Wohlergehen haben, das
Speaker:sind sehr, sehr wenig ausgewählte und in solchen Situationen
Speaker:wird dir das wirklich noch mal sehr bewusst.
Speaker:Und manche haben mich überrascht, manche Menschen war ich überrascht, wo
Speaker:ich gar nicht gedacht hätte, dass sie mir so nahestehen oder
Speaker:so mir wohlgesonnen sind und mir Gutes tun wollen und
Speaker:durch so kleine Gesten mir immer wieder den
Speaker:Mut gegeben haben, weiterzumachen, nach vorne zu blicken oder
Speaker:mir ein Lächeln ins Gesicht gezaubert haben.
Speaker:Ja.
Speaker:Da haben sicherlich auch einige gesagt, du wenn du Hilfe
Speaker:brauchst, komm auf uns zu. Hattest du in diesem Moment
Speaker:eigentlich die Kraft, dann wirklich die Hilfe zu bitten?
Speaker:Also, ich sag mal natürlich so im ganz Kleinen, dass mein
Speaker:Mann mir natürlich wirklich den Rücken freigehalten hat, sich
Speaker:noch mehr die Kinder gekümmert hat, mich da wirklich
Speaker:so entlasse. Das wusste ich gar nicht sagen, das war so
Speaker:ganz automatisch. Er war immer da, wenn ich ihn gebraucht habe.
Speaker:Und auch meine Kinder haben mir ein Taschentuch gebracht, wenn ich mal wieder
Speaker:mich gar nicht halten konnte und es einfach aus mir rausgebrochen ist.
Speaker:Meine Eltern, wir haben uns natürlich gegenseitig gestützt.
Speaker:Aber es waren auch so Menschen, die haben einfach mal
Speaker:was vor die Tür gestellt, mal
Speaker:uns einen Obstkorb vorbeigebracht,
Speaker:so kleine Gesten gezeigt, einfach da zu sein, zu
Speaker:helfen und selbst aktiv zu werden. Oder bei der Trauerfeier
Speaker:dann angeboten einzudecken,
Speaker:Kuchen zu bestellen. Es muss ja so viel dann auch in kurzer
Speaker:Zeit organisiert werden. Und
Speaker:da ist man einfach dankbar, jede kleine
Speaker:Unterstützung, aber danach aktiv zu fragen.
Speaker:Das ist das. Man ist gar nicht. Man funktioniert
Speaker:einfach nur, aber so richtig,
Speaker:Hilfe bitten, das schafft man in der Situation, glaube ich, gar
Speaker:nicht. Ja, Ich glaube, das ist auch nochmal
Speaker:wichtig. Viele sagen ja auch, ich biete
Speaker:dir was an, ich biete dir meine Hilfe an, frag nur. Aber die
Speaker:meisten werden nicht fragen können, die haben die Kraft nicht. Sondern da muss man wirklich
Speaker:gucken, okay, du könntest jetzt einfach
Speaker:ein Mittagessen brauchen, ich koche für dich mit, oder ich kaufe für dich
Speaker:mit ein, oder ich hole die Kinder von der Schule, vom Kindergarten oder whatever
Speaker:ab und bringe sie dir nach Hause, sodass du dich da an der
Speaker:Stelle gar nicht drum kümmern musst. Ja, genau.
Speaker:Und das sind natürlich so die Dinge, die dann wirklich
Speaker:ankommen, die helfen und wo man dann selbst auch
Speaker:einfach aktiv werden kann.
Speaker:Ja. Ja. Und auch wirklich so
Speaker:wirklich persönlich geschriebene, persönliche
Speaker:Worte in den Trauerkarten, wo Markus
Speaker:auch nochmal wirklich als Mensch so gewürdigt, wo ich nochmal
Speaker:gesehen habe, wie er geliebt und geschätzt wird. Auch
Speaker:das, das hat so gut getan. Da gibt es so die 0815-Karten,
Speaker:da musst du jetzt mal ein Kärtchen schicken. Das sind die selben Weihnachtskarten, die auch
Speaker:sonst... Genau. Und dann andere, die
Speaker:kamen vom Herzen.
Speaker:Das war schön, das hat gut getan.
Speaker:Jetzt ist ein gutes halbes Jahr vorbei.
Speaker:Wie geht es dir heute mit dem Blick auf die damalige Situation?
Speaker:Also es ist immer noch, manchmal ist es immer noch unwirklich, unreal
Speaker:und ich kann es gar nicht fassen und glauben, dass das wirklich
Speaker:passiert ist. Und auch,
Speaker:dass ein Mensch, der so tolle Voraussetzungen im Leben
Speaker:hatte, ein gutes Elternhaus, eine gute Ausbildung, ein
Speaker:Köpfchen, geliebt wurde und
Speaker:wirklich so viele Chancen und Möglichkeiten hatte,
Speaker:dann doch so schnell an den Abgrund
Speaker:der Gesellschaft kommt und wirklich so eine Entscheidung für sich
Speaker:treffen muss, seine Kinder zurücklässt. Das ist
Speaker:für mich heute immer noch ein Stück weit unfassbar.
Speaker:Und es macht mich einfach so traurig, dass gerade meinem
Speaker:besonderen Bruder dieses Schicksal, dass das
Speaker:sein Weg war und er nur 46 Jahre alt werden durfte.
Speaker:Und es zeigt mir aber auch, was wirklich
Speaker:zählt im Leben, was wichtig ist, dass ich noch
Speaker:offener, mit offeneren Augen noch mehr Empathie durch
Speaker:mein Leben gehen möchte. Es ernst nehmen möchte, für Menschen
Speaker:da sein möchte. Und
Speaker:ja, womöglich einfach
Speaker:Hilfe anbieten möchte, oder den Zugang zu Hilfsmöglichkeiten
Speaker:Menschen und Betroffenen und Angehörigen noch näher bringen möchte und
Speaker:da einfach auch so ein bisschen Sensibilisierung
Speaker:und das Thema auch so ein bisschen aus der Tabuzone
Speaker:rauszunehmen. Darüber zu reden und nach
Speaker:Wegen zu suchen,
Speaker:Lösungen zu finden.
Speaker:Da ziehen wir absolut an einem Strang.
Speaker:Es geht ja manchmal auch nur darum, wirklich auch ein Fenster aufzumachen.
Speaker:Wir, die wir das sehen, die Betroffenen
Speaker:ansprechen, Wir können und
Speaker:wir werden das Problem nicht lösen.
Speaker:Ich glaube, das ist in dem Moment auch die absolute Überforderung, die
Speaker:aber jeder, wenn ich ihn anspreche, muss ich sein Problem auch lösen. Nein, musst du
Speaker:nicht. Du musst ihn nur ansprechen. Und Ich
Speaker:habe ja als Klinikfacher auch eine Reihe von Menschen
Speaker:begleitet, die ihren Suizid überlebt haben.
Speaker:Das war immer wieder die Erfahrung, ich habe zwar das Fenster aufgemacht,
Speaker:aber mich hat keiner angesprochen. Warum auch immer. Mich
Speaker:hat jemand vorsichtig angesprochen, aber ich konnte in diesem Moment
Speaker:nicht mehr sagen, als dass es so ist.
Speaker:Ich merkte eben, der andere wollte mein Problem lösen,
Speaker:Aber das war gar nicht seine Aufgabe.
Speaker:Wenn du jetzt unserer Leistungsgesellschaft einen
Speaker:Satz mitgeben könntest, was wäre dein Satz? Was wäre dein
Speaker:Satz?
Speaker:Wirklich, fragt euch, was ist
Speaker:wirklich wichtig im Leben? Und was
Speaker:macht euch wirklich glücklich?
Speaker:Und da gut hinzugucken und manchmal
Speaker:auch über die kleinen Dingen im Leben
Speaker:dankbar und zufrieden zu sein.
Speaker:Manchmal sitzt der schwerste Schmerz ganz
Speaker:leise neben uns, zwischen uns
Speaker:Und wir gehen trotzdem in den nächsten Call, in die
Speaker:nächste Beratung, in den nächsten Job. Wir
Speaker:funktionieren weiter, obwohl in uns etwas,
Speaker:ja ich sag mal zerbrochen ist.
Speaker:Heute, liebe Hörerinnen und Hörer, haben wir
Speaker:darüber gesprochen, was passiert, wenn wir
Speaker:trauern, wenn wir mitten in unserem Leben, in unserem
Speaker:Arbeitsleben damit konfrontiert werden,
Speaker:dass ein Mensch gestorben ist, dass ein Mensch über
Speaker:Suizid gestorben ist. An der
Speaker:Stelle, liebe Jutta, ganz, ganz herzlichen Dank für
Speaker:deine Offenheit. Und ich hoffe, dass wir damit
Speaker:auch vielen einfach Anregungen geben, wie sie
Speaker:selbst jemandem helfen können. Und wenn es erstmal
Speaker:nur zuhören ist. Vielleicht
Speaker:habt ihr, liebe Hörerinnen und Hörer, beim Zuhören an
Speaker:jemanden gedacht. Vielleicht
Speaker:haben sich manche auch selbst gespürt, denn so meine
Speaker:Erfahrung, jeder war mal an diesem Punkt des roten Knopfes
Speaker:oder die allermeisten. Aber wenn das so ist,
Speaker:dann behalten Sie diesen Moment und hören Sie
Speaker:vielleicht auch noch mal in das Interview rein.
Speaker:Meine ganz große Bitte, reden,
Speaker:Fragen bleibt Mensch.
Speaker:Auch am Montagmorgen. Und dir liebe
Speaker:Jutta sage ich ganz ganz herzlichen Dank
Speaker:für das Gespräch und schauen wir mal, dass es
Speaker:weiterhin die richtigen Leute erreicht. Denn ich kann dir von hier
Speaker:aus sagen, ich habe vor
Speaker:7 Jahren ein Interview gemacht mit der Telefonseelsorge
Speaker:zum Thema Suizid. Das ist in einem
Speaker:Podcast erschienen. Dieser Podcast, den
Speaker:habe ich im Sommer 2020 abgeschlossen, aber die Folgen sind
Speaker:noch da. Und diese eine Folge,
Speaker:plus eine Folge, wo ich mit meinem Kollegen in der Notfallseelsorge zum
Speaker:Thema Suizid spreche, die werden heute noch
Speaker:50 mal im Monat runtergeladen, ohne dass ich irgendetwas
Speaker:kommuniziere. Deshalb
Speaker:gucken wir, dass es uns gut geht,
Speaker:unserem Nachbarn gut geht und gucken wir einfach in Richtung
Speaker:Leben, dann wird sich vieles gerade
Speaker:rücken. Herzlichen Dank fürs Zuhören und seid
Speaker:nächste Woche wieder mit dabei.
Speaker:Vielen Dank Stefan. Ich habe dir zu danken.